Cover. David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut. In der Übersetzung von Wibke Kuhn.

Miss Gladys und ihr Astronaut – und meine Ratlosigkeit

Miss Gladys und ihr Astronaut – der erste Unterhaltungsroman von David M. Barnett

Ein Buch, bei dem ich nicht wusste, ob ich lachen oder heulen sollte.

Inhalt

Cover. David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut. In der Übersetzung von Wibke Kuhn.
David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut. In der Übersetzung von Wibke Kuhn. © 2018 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.

Thomas Major ist ein Griesgram, verabscheut die Gesellschaft und ist am liebsten allein. Daher kommt ihm ein Flug zum Mars gelegen. Er soll der erste Mensch auf dem roten Planeten sein! Doch das ist ihm völlig egal. Ihm ist nur eines wichtig: Er will seine Ruhe.

Diese Ruhe wird kläglich gestört, als sich bei einem Telefonanruf unter der gewählten Nummer eine nervige Unbekannte meldet. Es ist Miss Gladys, die ab und zu ihr Handy im Kühlschrank oder das heiße Bügeleisen auf einem Hemd vergisst. An ihren Astronauten kann sie sich aber erinnern!

Es glaubt ihr nur niemand. Bis auf ihren Enkel James, der neugierig die seltsame Nummer zurückruft. Er ist ein Naturwissenschaftsfreak und begeistert über den neuen Kontakt, der eigentlich gar keiner sein will. Doch James offenbart ihm, in welchen Schwierigkeiten seine Familie steckt: Seine Mutter ist tot, sein Vater im Gefängnis, Nan wird verrückt und seine Schwester hat drei Jobs neben der Schule, um sie über die Runden zu bringen. Trotzdem droht der Verlust ihres Zuhauses.

Nach und nach wird „Major Tom“ zur letzten Hoffnung der Ormerods. Indem er Miss Gladys und den Kindern, wenn auch zunächst äußerst widerwillig hilft, hilft er unbewusst sich selbst. Denn er ist nicht grundlos so ein Miesepeter und die personifizierte Unhöflichkeit …

Was ich denke

Ich habe das Buch gekauft, weil die Kritiken es als äußerst witzig beschrieben hatten und es nach einer guten Geschichte klang. Eben mal nicht nach Liebesroman oder Thriller. Das Problem: Ich habe nicht gelacht. Mir war die ganze Zeit eher wehmütig ums Herz und abschnittsweise fast zum Weinen zumute.

Die Tatsache, dass mit Miss Gladys‘ Demenz humorvoll umgegangen wird, anstatt der Krankheit „den nötigen Ernst“ entgegenzubringen, wie manche Rezensenten schreiben, fand ich keineswegs zum Heulen. Die Dramatik, die die Erkrankung mit sich bringt, wird auf subtile Weise mehr als deutlich: durch Nans charmante Erinnerungen an Bill, ihre fehlende Weitsichtigkeit gegenüber ihren Handlungen oder ihre Unfähigkeit, die Tragweite ihrer Not zu erkennen.

Berührt hat mich das Schicksal der Kinder. Sie müssen nicht nur dafür sorgen, dass ihre Familie nicht auseinandergerissen wird, sie können es vor allem niemandem erzählen. An dem Gefühl änderte auch ein Optimist wie Delil oder James‘ kurioser Versuch nichts.

Traurig gestimmt hat mich das Schicksal von Thomas Major. Ein Erlebnis als Kind verändert sein Leben. Weitere Schicksalsschläge als junger Mann folgen. Im Lauf der Zeit zieht er sich immer mehr in sich selbst zurück, verflucht die Welt und die Menschen, fühlt sich unfähig zu jedem Sozialkontakt.

Das Buch offenbart die Geschichte des Astronauten nicht sofort, sondern Stück für Stück in Form von Rückblicken. Und umso mehr ich erfahren habe, desto mehr wurde mir die Tragik seiner Reise bewusst. Happy End hin oder her.

Einerseits hat mir die Abstrusität der Geschichte gefallen. Ein Astronaut, der mal eben mit der Erde telefoniert, ohne dass es zunächst jemand bemerkt. Der auf eine kuriose Miss Gladys trifft und mit einem galaktischen Plan einer Familie hilft. Und der letztlich auch sein eigenes Leben „rettet“.

Andererseits hat es Barnett mit der Abstrusität hinsichtlich der BriSpA meiner Meinung eindeutig übertrieben. Eine britische Weltraumorganisation? Warum nicht. Eine Weltraumorganisation bestehend aus wenigen und dann noch meist völlig inkompetenten Mitarbeitern, die bei jeder Gelegenheit ins Lächerliche gezogen werden? Die einen Chemiker als ersten Menschen zum Mars schicken? Einen Chemiker, der weder Ahnung von Biologie, Ingenieurswesen noch Technik hat? Er soll den Mars für die Kolonisierung vorbereiten? Ach ja, die erste Mission dieser Art in einem ausrangierten, russischen Raumschiff? Nein.

Fazit 

Es hätte eine emotional schöne Geschichte mit Taschentuchfaktor werden können. Denn auch der Schreibstil von Barnett ist angenehm, seine Sprache direkt, einfach in ihren Satzstrukturen und trotzdem wortgewandt.

Doch die Abwegigkeit der BriSpA hat das Buch zu einer Sache werden lassen, bei der ich zunächst nicht wusste, was ich davon halten oder was ich fühlen sollte.

Kurz gesagt:
Nicht perfekt, aber alles in allem lesenswert.

Gelesene Ausgabe: Barnett, David M.: Miss Gladys und ihr Astronaut, in der Übersetzung v. Wibke Kuhn, Ullstein Taschenbuch, Berlin 2018. ISBN 978-3-548-28954-0